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Was ist Biokinematik?

Das Prinzip der Biokinematik geht auf den Allgemeinmediziner Walter Packi zurück. Erkenntnisse aus Kinematik und Kybernetik werden auf lebende Körper übertragen – zur Schmerztherapie.
„Um die Bewegungsvorgänge des menschlichen Körpers verstehen zu können, sind die Gesetze der Biologie zu berücksichtigen und in die bekannten Gesetze der Kinematik einzuarbeiten. Der Mensch untersteht den Gesetzen der Biokinematik und nicht nur der Kinematik“, schreibt Packi in seinem Aufsatz Biokinematik. Verschleiß, beispielsweise, käme daher in lebenden Körpern, mit ihrer Fähigkeit sich immer wieder zu erneuern, nicht vor.

Schmerz ist das Resultat gestörter Bewegungsbahnen

Die Biokinematik stellt eine Bewegungslehre zur Schmerztherapie dar, die Schmerztheorie mit Bewegungstheorie in Verbindung bringt. Vereinfacht gesagt, geht sie davon aus, dass unser Körper in seinen Funktionsmustern heute noch genauso funktioniert wie vor 5000 Jahren. Mit einem zentralen Unterschied: Die Umwelt hat sich derart verändert, dass die Reaktionen des Körpers so weit verfälscht werden, „bis deren natürlicher Sinnbezug verloren gegangen ist.“ In der Folge stimmen Körperwahrnehmung und damit Bewegungsmuster nicht mehr.

Es gilt die Annahme, dass Schmerz immer die Folge gestörter Bewegungsbahnen ist. Sprich: Wenn der Arm sich nicht mehr in seiner natürlichen – und übrigens mathematisch genau berechenbaren – Bahn bewegt, wird das als Schmerz wahrgenommen. „Alles, was im Stande ist, im biologischen Körper die Bewegungsbahnen zu stören, wirkt als Schmerzursache“, erklärt Packi. Kraft spielt für den Allgemeinmediziner dabei eine untergeordnete Rolle, da sie für die Bewegungsbahn unerheblich ist. Auch der Bewegungsumfang ist im Sinne der Biokinematik für die Schmerzursache irrelevant. „Derjenige Abschnitt, der bewegt werden kann, muss geometrisch ungestört bewegt werden können. Eine Erhöhung des Bewegungsumfanges hat auf den geometrischen Ablauf keinen Einfluss.“

Muskeln als Schlüssel

Da eine Bewegung immer von Muskeln ausgeführt wird und sie das einzige, nicht starre Element bei einer Bewegung sind, sind sie die Faktoren, die eine falsche Bahn verantworten. Bei jeder Bewegung gibt es einen aktiven und einen passiven Muskel. Vereinfacht: zieht sich einer zusammen (aktiv), muss sich der Gegenspieler dehnen (passiv). Liegen im passiven Muskel innere geometrische Störungen vor, wird die Kontraktionsbahn des aktiven Muskels ihrerseits gestört. Die Folge: „Der bewegte Knochen wird nicht wie vorgesehen geführt, sondern er wird vom momentan passiven Muskel zu einer Bahnabweichung gezwungen.“

Dieser Umstand führt Packi zufolge zu einer scheinbar paradoxen Situation: „Der passive, nicht bewusst wahrgenommene Muskel beinhaltet die Schmerzursache, während der gesunde, jedoch arbeitende Muskel als schmerzhaft wahrgenommen wird.“
Grund dafür ist, dass das Körperbewusstsein so gepolt ist, dass aktive Muskeln gespürt werden, passive in der Regel nicht. An einer Bewegung sind immer Muskelketten beteiligt und dennoch werden nur einzelne Muskeln wahrgenommen. Warum?
Eine Kette ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Ist ein Kettenglied krank, müssen andere Muskeln in die Bresche springen und Mehrarbeit leisten oder aber gebremst werden, um den kranken Muskel nicht zusätzlich zu schädigen.

„Der Schmerz hat die biologische Aufgabe, den gesündesten Muskel in der Funktionskette zugunsten der kranken Teile auszubremsen. Der Schmerz wird dort bewusst wahrgenommen, wo der Körper am gesündesten ist. Somit wird der Schmerz logischerweise zum Garanten für Gesundheit und nicht zum Indikator für Krankheit. Wenn ein Knie weh tut, dann ist der Schmerz die Garantie für die Gesundheit des Kniegelenkes. Eine Therapie im Orte des Schmerzes ist verkehrt.“

Was bedeutet das für die Therapie?

Für die Biokinematik hängt Schmerz also von der Funktion, nicht von Strukturen ab. Entsprechend muss die Funktion und nicht die Struktur therapiert werden. Da der Körper seine Informationen über seine Sinnesorgane erhält und damit die Funktion steuert, muss eine Therapie Reize für die inneren und äußeren Sinnesorgane setzen, um so „regulative Veränderungen“ zu provozieren. In der Folge können sich dann aber auch strukturelle Veränderungen einstellen.

Möglichkeiten einer solchen Reizsetzung reichen von unnatürlichen (inadäquaten) Reizen, wie beispielsweise einer Injektion eines Lokalanästhetikums oder mechanischen Reizen (Druck), bis zu natürlichen (adäquaten) Reizen, die darin bestehen, „dass die Faser aus maximaler Vorspannung heraus zum Arbeiten gebracht wird. […] Wenn dies gelingt, dann ist mit der Rekrutierung der Faser die pathologische Spannung abgebaut und die Geometrie wieder synchronisiert.“

Hat man erreicht, dass die Funktionen wieder korrekt und schmerzfrei ablaufen, gilt es, diese „wiedergewonnenen Freiheiten auch zu nutzen, um sie nicht wieder zu verlieren“, so Packi.

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